Selbstwert schadet nicht

image»Es gibt nichts, was es unter der Sonne nicht schon gegeben hätte. Das heißt aber nicht, dass ich deshalb schweigen würde…«

Vielleicht hätte der Redner das tun sollen. Denn bei dieser Einleitung erwarte ich in den nächsten Minuten gepflegte Langeweile.

Was die Sache rettete, war die amüsante Persönlichkeit des Redners. Bis auf die schwache Einleitung erwies er sich als wahrer Meister seines Fachs. Seine Geschichten waren spannend, seine Vergleiche treffend und seine Botschaft kannst Du überall mitnehmen. Allerdings hatte er recht. Alles war schon bekannt. Wir hörten seine Worte und wussten, das hatten wir auch schon an anderer Stelle gelesen oder gehört.

Nichts Neues unter der Sonne

Das ist im heutigen Rednergeschäft natürlich völlig normal. Die Wenigsten haben etwas Neues zu erzählen. Dagegen spricht schon die Herkunft vieler Redner. Sie sind Trainer. Sie werden dafür bezahlt, bewährtes Wissen lernkybernetisch ansprechend zu verpacken und unter die Leute zu bringen. Trainer sollen nichts Neues erzählen. Vor allen Dingen nichts, was sie selbst entwickelt haben.

Vorteil Persönlichkeit

Damit steht logischerweise die Persönlichkeit des Redners im Mittelpunkt seines Vortrags. Wenn er an sich zweifelt, dann wird das Zuhören zur Qual und das Reden vermutlich auch. Deshalb sollte jeder Redner ein überaus gesundes Selbstwertgefühl haben.

Begeisterung ist der Schlüssel

Bis vor einigen Jahren habe ich das auch immer gedacht. Inzwischen sehe ich das anders. Das Selbstwertgefühl des Redners ist nur der Ersatz für die mangelnde Begeisterung für sein Thema.

“Wer andere entzünden will, muss selbst dafür brennen.” So ist es. Ein Redner, der von seinem eigenen Thema aufrichtig begeistert ist, braucht nicht viel Selbstwertgefühl. Denn es muss nicht anstelle des Themas stehen.

Bestes Beispiel für meine These ist Mahatma Gandhi. Als Anwalt war er zunächst ein Versager. Er war zu schüchtern, um vor Gericht aufzutreten. Bei seiner ersten Verhandlung brachte er keinen Ton heraus und rannte schließlich unter dem Gelächter der Kollegen aus dem Saal. Er schwor sich, niemals wieder in eine solche Lage zu kommen.

Welche Karriere hätte man ihm danach noch zugetraut? Als er allerdings kurze Zeit später in Südafrika den Rassismus gegen seine Landsleute am eigenen Leib zu spüren bekam, änderte sich das radikal. Plötzlich hatte er keinerlei Probleme mehr, vor Gericht aufzutreten. Er wurde sogar für seine leidenschaftliche Verhandlungsführung bekannt. Er bewies Nehmerqualitäten, die ihm vorher niemand zugetraut hätte.

Was war passiert? Gandhi ertrug die Ungerechtigkeit nicht, durch Geburt ein Bürger zweiter Klasse zu sein. Das entzündete in ihm eine Leidenschaft, die bis zu seinem Lebensende in ihm brennen sollte. Das gleiche Feuer macht ihn auch zum Politiker. Denn wenn die Gesetze Gerechtigkeit nicht hergeben, musste er eben die Gesetze ändern.

Gandhi hat die Welt in einer Weise verändert, wie es nur wenige in der Weltgeschichte getan haben. Dafür brauchte er kein großes Selbstwertgefühl, sondern allein die Leidenschaft für die Sache.

Themenwert schlägt Selbstwert

Ich weiß natürlich, dass viele Kollegen im Auftrag reden und sich daher ihre Themen nicht aussuchen können. Anders sieht das bei Rednern aus, die ein eigenes Thema beackern, Bücher darüber schreiben und für ihr Thema eingeladen werden.

Sie sollten sich überlegen, ob sie sich mit Vertrieb, Motivation und Marketing beschäftigen, weil sie so leidenschaftlich dahinter stehen oder weil sie glauben, dass diese Themen am meisten nachgefragt werden. Ist es Ersteres oder Letzteres?

Ich bin davon überzeugt, dass Selbstwert nicht schaden kann. Das Wichtigere ist allerdings der Themenwert für den Redner.

Denke einmal kurz darüber nach: Wie wertvoll empfindest Du Dein eigenes Thema? Brennst Du dafür oder geht bei Dir nur eine sanfte Energiesparlampe an?

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