Stell Dir vor: Du stehst vor Deinem Publikum. Du legst Dein ganzes Herzblut in Deinen Vortrag. Im Vorfeld hast Du eine zum Sterben schöne PowerPoint-Präsentation vorbereitet. Du ziehst alle Register! Doch Deine Zuhörer umarmen sich lieber selbst als Deine Worte: verschränkte Arme, gerunzelte Stirn, kein Lächeln, keine Reaktion. Mit anderen Worten: Du stehst vor einem gigantischen schwarzen Loch, das Deine Energie schneller schluckt als ein Porsche Cayenne das SuperPlus an der Tanksäule. Auf Deiner Stirn bilden sich Schweißtropfen, Du wirst heiser.
Was tust Du?
Erfahrung macht klug
Wer oft vor Publikum steht, hat diese Erfahrung bestimmt schon gemacht. Es lässt sich nicht verhindern. Lernen ist Trumpf und je häufiger wir Zuschauer haben, desto seltener passiert es – hoffentlich. Dabei ist es völlig egal, ob danach die Leute zu Dir kommen und Dich beglückwünschen, weil der Vortrag “gut” war.
Wenn wir als Redner Erfolg haben wollen, ist “gut” kein Maßstab.
Die Sicht der Zuschauer
Denn sehen wir es einmal von der anderen Seite, aus der Sicht der Zuschauer: Du sitzt also in einem Vortragssaal auf der für Dich wichtigsten Messe des Jahres. Dein Unternehmen hat wieder eine unvernünftige hohe Summe in dieses alljährliche Abenteuer investiert und Du sitzt in diesem Vortrag. Jede Minute kostet ein Vermögen. Aber der Titel klang interessant und den Referenten wolltest Du ohnehin schon immer einmal hören.
Diese 45 Minuten sind also richtig teuer. Wirst Du dann mit einer artig guten Rede zufrieden sein? Oder erwartest Du, dass der Redner Dich aus dem Sitz haut und Du es nicht erwarten kannst, diese großartigen Impulse gleich umzusetzen?
Wenn wir uns das vor Augen führen und in einen Raum mit 250 erwartungsvollen Zuhörern blicken, dann ist “gut” einfach nur schlecht.
Das wechselhafte Pendel der guten und schlechten Tage
Allerdings sind wir alle nur Menschen und jeder von uns erwischt gute und schlechte Tage. An den guten Tagen könnten wir nahezu unvorbereitet auf die Bühne treten und es regnet Manna vom Himmel. Doch weil wir auch schlechte Tage haben, machen wir das nicht.
Die mentale Einstellung
Es gibt so Vieles, was ein Redner vor seinem Auftritt alles tun kann, damit er auf der Bühne auf dem Punkt ist. Das fängt bei der richtigen Einstellung an. Manch einer fühlt sich in den Minuten davor wie ehedem bei einer Prüfung. Treten wir so vor unsere Zuschauer wird uns das Publikum mit absoluter Sicherheit auf die Probe stellen.
Wenn wir eine Rede halten, dann ist das hoffentlich kein Selbstzweck. Ich habe mich vor vielen Jahren auf das Thema “Entscheiden” spezialisiert. Bei dem Thema kann jeder mitreden. Doch wozu gibt es Experten? Wenn es mir gelingt, deren Pseudosicherheit zu erschüttern und durch Klarheit und echtes Wissen zu ersetzen, dann verändere ich damit das Leben meiner Zuschauer.
Diese Chance vermittelt ein unglaubliches Gefühl. Ich kann es meistens kaum erwarten vor mein Publikum zu treten. Es ist Teil meiner großen Mission.
Zwischen Einem Redner,. der sich vom Publikum prüfen zu lässt und einem Redner, der seinem Publikum eine Botschaft zu vermittelt liegen Welten. Wen würden wir wohl lieber sehen?
Worte sind nicht genug
Ein Redner ist ein Musiker. Sein Instrument ist seine Stimme. Aus der Kommunikationsforschung wissen wir, dass Worte nur 7 Prozent unserer Kommunikation ausmachen. Unsere Stimme bestimmt 38 Prozent und 55 Prozent unsere Körpersprache.
Was machen wir für diese 38 Prozent der Kommunikation, an denen so viel hängt? Ein Musiker stimmt vor seinem Auftritt sein Instrument. Hochbezahlte Opernsänger singen ihre Stimme warm.
Was macht ein Redner?
Es gibt eine ganze Reihe von Stimmübungen, die wir vor einem Auftritt machen können, um das beste aus unserem “Instrument” herauszuholen. Zudem besteht die Zunge, der Kiefer und das Zwerchfell aus Muskeln. Muskeln, die wir trainieren, wenn wir einmal keinen Auftritt haben.
Mit dem Reden ist es wie mit Sport. Wir können auch einmal beim Fußball mitkicken. Das macht Spaß. Aber gegen trainierte Sportler haben wir dann keine Chance. Ein Sportler, der nur am Wettkampftag trainiert, wird auch niemals eine Medaille gewinnen.
Ob wir als Redner an einem schlechten Tag nur “gut” sind, haben wir also selbst in der Hand.
Zurück ins schwarze Loch
Stell Dir also vor, Du blickst in das schwarze Loch im Publikum. Du legst alle Energie rein, um Deine Zuschauer für Dich zu gewinnen. Doch das ist völlig falsch. Denn es gibt in jedem Publikum skeptische Zuhörer. Je mehr wir uns reinhängen, desto skeptischer schauen sie. Das ist ein Spiel, dass wir nicht gewinnen können.
Genauso gibt es in jedem Publikum Zuschauer, die von vorne herein auf unserer Seite sind. Wir müssen sie nicht gewinnen. Sie schenken uns schon bei der ersten Gelegenheit ein Lächeln und an der richtigen Stelle ein Lachen.
Für diese Menschen stehst Du auf der Bühne. Lass die Miesepeter kritisch schauen. Konzentrier Dich auf DEIN Publikum. Dann passiert nämlich etwas ganz Besonderes. Je mehr Menschen lächeln, mitmachen, die Hand heben und mitlachen, desto weniger Miesepeter sitzen im Zuschauerraum. Die Kritiker lösen sich in Luft auf.
Während das passiert, merkst Du, wie Deine Rede ständig besser und präsenter wird, weil. Dein Publikum versorgt Dich mit Energie im Überfluss, auf Deinem Rücken hast Du selbst Gänsehaut. Am Ende sitzt kein einziger Miesepeter mehr im Publikum.
Denn Du als Redner hast die Macht Dein Publikum für Dich zu gewinnen, indem Du Mehrheiten schaffst. Der Rest ist Soziologie. Keiner widersteht der großen Gruppe.
Dein Publikum zählt
Von Natur aus tendiere ich dazu, Miesepeter als Herausforderung zu begreifen. Wenn ich zum Beispiel im Supermarkt zahlen möchte, suche ich mir oft die miesepetrigste Kassiererin aus und versuche sie zum Lächeln zu bringen. Das ist nicht schwierig, weil ich ihr nur ein wenig Beachtung schenken muss.
Doch als Redner gilt für mich: Konzentrier Dich auf DEIN Publikum. Wer nicht dazu gehören will, folgt später automatisch.